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Nachhaltigkeits-Zertifikate: Notwendiges Übel oder echte Chance?

Nachhaltigkeits-Zertifikate: Notwendiges Übel oder echte Chance?

Person arbeitet an ESG-Dokumenten mit Laptop und gedruckten Unterlagen in einem Home-Office.

Nachhaltigkeit ist das Schlagwort unserer Zeit. Unternehmen, die als umweltbewusst und sozial verantwortlich gelten wollen, greifen oft zu Nachhaltigkeits-Zertifikaten wie ISO 14001 oder EcoVadis. Diese Zertifikate sollen glaubwürdig belegen, dass ein Unternehmen bestimmte ökologische und soziale Standards erfüllt. Doch wie sinnvoll sind diese Zertifikate wirklich? Und welchen Herausforderungen stehen Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), bei ihrer Erlangung gegenüber?

Zertifikate als Beweis der “Unschuld”

Ein zentrales Problem vieler Nachhaltigkeits-Zertifikate ist, dass Unternehmen in einer Art „Beweislastumkehr“ ihre Unschuld nachweisen müssen – ähnlich wie in einem Strafverfahren. Der Fokus liegt darauf, zu zeigen, dass bestimmte Standards eingehalten werden, anstatt kontinuierliche Verbesserungen zu fördern. Dies führt oft dazu, dass Unternehmen die Zertifizierung eher als lästige Pflichtübung betrachten, die es abzuarbeiten gilt, anstatt als Chance, ihre Nachhaltigkeitspraktiken wirklich zu hinterfragen und zu verbessern.

ISO 14001: Ein aufwendiger Standard

ISO 14001 ist ein international anerkannter Standard für Umweltmanagementsysteme. Auf den ersten Blick scheint diese Zertifizierung ein guter Weg zu sein, um die Umweltperformance eines Unternehmens zu verbessern. Doch die Realität zeigt, dass der Weg zur ISO-Zertifizierung langwierig, komplex und teuer sein kann.

Kosten und Aufwand:
Die Kosten für die Zertifizierung variieren stark, können aber für ein KMU schnell zwischen 3.000 und 10.000 Euro liegen, inklusive der Audits. Hinzu kommt ein erheblicher interner Aufwand, der mehrere Monate dauern kann und oft umfassende Anpassungen in der Unternehmensstruktur und -prozessen erfordert. Für viele KMU ist dieser Aufwand kaum zu rechtfertigen, insbesondere wenn der eigentliche Nutzen im täglichen Geschäft nur gering ist.

Der Nutzen bleibt oft begrenzt:
Viele Unternehmen sehen ISO 14001 als notwendiges Übel, um bestimmte Marktanforderungen zu erfüllen, aber der eigentliche Mehrwert bleibt oft ungenutzt. Der Fokus liegt auf der Erfüllung der Zertifizierungskriterien, ohne dass echte Verbesserungen im Umweltmanagement angestrebt werden.

EcoVadis: Hohe Kosten, begrenzte Transparenz

EcoVadis ist eine Plattform, die Nachhaltigkeitsbewertungen für Unternehmen anbietet. Die Zertifizierung durch EcoVadis kann für Unternehmen von Vorteil sein, wenn es darum geht, die Anforderungen von großen Kunden oder Partnern zu erfüllen. Doch auch hier gibt es erhebliche Herausforderungen.

Kosten und Aufwand:
Die Kosten für eine EcoVadis-Zertifizierung liegen je nach Paket zwischen 1.000 und 6.000 Euro pro Jahr. Der interne Aufwand ist nicht zu unterschätzen: Unternehmen müssen umfangreiche Dokumentationen einreichen und detaillierte Fragebögen ausfüllen. Oftmals sind zusätzliche interne oder externe Ressourcen notwendig, um die Anforderungen vollständig zu erfüllen.

Transparenzprobleme:
Ein weiterer Kritikpunkt an EcoVadis ist die begrenzte Transparenz der Bewertungskriterien. Außenstehende haben oft keinen Einblick in die genauen Bewertungsprozesse, was die Glaubwürdigkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert. Für Unternehmen kann dies bedeuten, dass sie viel Aufwand betreiben, ohne wirklich zu wissen, wie die Bewertung zustande kommt und welchen tatsächlichen Nutzen sie davon haben.

Zertifikate als lästige Pflichtübung?

In vielen Unternehmen werden Nachhaltigkeits-Zertifikate daher leider eher als Pflichtübung gesehen denn als echte Chance, nachhaltiger zu wirtschaften. Die Prozesse zur Erlangung der Zertifikate sind oft bürokratisch, teuer und zeitaufwendig. Die eigentliche Intention – nämlich die Förderung nachhaltiger Praktiken – gerät dabei leicht in den Hintergrund. Statt echter Verbesserungen geht es oft darum, ein Häkchen auf einer Liste zu setzen, um am Markt bestehen zu können.

Tipp:
Setzt auf das, was wirklich zählt. Zertifikate sind kein Selbstzweck, sondern sollten als Ergebnis echter Verbesserungen im Unternehmen stehen. Stellt den wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen in den Vordergrund. Überlegt genau, welche Maßnahmen euch effizienter und nachhaltiger machen – das Zertifikat sollte dann nur die logische Konsequenz sein. Verfolgt Zertifikate nur, wenn sie wirklich notwendig sind, etwa um Kundenanforderungen zu erfüllen oder neue Märkte zu erschließen. Achtet darauf, dass sie kosteneffizient und einfach umzusetzen sind. Oft sind einfache, kostengünstige Maßnahmen wie interne Optimierungen oder digitale Tools genauso effektiv – und bringen euch schneller weiter.