Herausforderungen beim Lob
Man kann sich nun fragen: Wenn Lob doch so einen grossen Nutzen hat im privaten und geschäftlichen Leben, warum loben wir denn eigentlich so wenig? Warum kritisieren wir mehr als wir loben?
Kultur: Wer selten und aufmerksam genug hinschaut, was am Fernsehen läuft, erkennt schnell: Wir leben in einer Kultur, die mit Drama, Konflikten und Problemen Geld verdient. Die Nachrichten und Unterhaltungsindustrie füttert uns mit schlechten Nachrichten, Peinlichkeiten etc. So dass wir immer wieder schwer atmend sagen können: «Ist es nicht schrecklich.» Im Kontrast dazu, wirken dann unsere Alltagsproblemchen erträglicher, denn wir sind nicht die einzigen, bei denen nicht alles funktioniert.
Menschsein & Routine: Wir, ehemalige Steinzeitmenschen, sind von Natur aus mit einem Ego ausgerüstet. Dieses ist nicht da, um glücklich zu sein, sondern um zu überleben. Es fragt: Bin ich die Beute? Ist das da die Beute? Kann ich sie holen? Das Ego sucht die Umwelt nach Gefahren ab oder vergleicht seine Kräfte mit der potentiellen Beute oder Konkurrenten. Bei uns zivilisierten Menschen ist das immer lebendig, wenn auch ziemlich schlafend, weil unsere Bedürfnisse mehr als gedeckt sind. Die Wohlstand-Menschen sind konfortabel eingelullt und wissen nicht wirklich, was sie eigentlich noch wollen. Ihre Erwartungen werden ihnen erst klar, wenn sie enttäuscht werden. Dann erwacht das Ego und meldet erregt: «Das ist verkehrt – ich will das nicht!». Das ist nicht gut zum Glücksein – aber es ist gut fürs Überleben.
Wenn man diese Prozesse bei sich selber reflektiert und einfach laufen lässt (und das ist Weg des geringsten Widerstands), gewöhnt man sich an den Unfug im Kopf. Meditationslehrer haben dafür einen Begriff geschaffen: «Monkey Mind». Gemeint ist damit, dass unser Bewusstsein wild herumturnt wie ein Affe.
Es ist sicher einfacher zu erkennen, was negativ ist, als zu sehen, was positiv ist. Als nächstes sollten wir uns fragen, ob wir irgendwie Angst vor dem Positiven haben, das andere um uns herum präsentieren. Angst ist sicher eine übertriebene Formulierung – aber vielleicht ist da wenig «Unwohlsein», das beim Loben aufkommen kann?
Unwohlsein beim Loben?
Beim Loben kann man Unwohlsein empfinden, d.h. sich Sorgen machen. Hier sind ein paar Beispiele für solche Bedenken.
Wenn ich lobe, dann…
…werde ich als als Schleimer verurteilt
…wirke ich wie ein Heuchler
…löse ich Eifersucht aus
… bewirke ich Unbehagen
… beginnt die andere Person Forderungen zu stellen
…wird die andere Person stärker und ich werde vergleichsweise schwächer
Unwohlsein bei Annehmen von Lob?
Das hast du sicher auch schon gemerkt: Einzelnen Leuten wird es unwohl, wenn sie gelobt werden. Sie ducksen hin und her oder sagen: «Das ist doch mein Job.» oder «Willst du mich motivieren?» Was ist da los?
- Der Empfänger meint, das Lob nicht verdient zu haben.
- Der Empfänger erkennt im Lob eine heraufgesetzte Erwartung und befürchtet ihr künftig nicht gerecht werden zu können. Das geschieht besonders schnell dann, wenn nur das Ergebnis gelobt wird und nicht der Einsatz, die Kreativität, Sorgfalt.
- Der Empfänger wird misstrauisch und denkt über die Absicht der lobenden Person nach. «Was will die lobende Person von mir – will sie mich belohnen, dressieren, manipulieren?»
- Der Empfänger merkt, dass ihn das Lob berührt. Gleichzeitig hat er Mühe, die gefühlte Nähe zuzulassen und sucht Sicherheitsabstand.
Selbstverständlich ist der Umgang mit Lob auch eine Frage der Kultur, in der man lebt.
Andere Länder – andere Sitten: Hierzulande loben wir weniger als anderswo. Die U.S.-Amerikaner machen es grosszügiger. Lies hier den Post – it’s great!