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Wann “IT-Umgehungslösungen” nützlich sein können

Wann “IT-Umgehungslösungen” nützlich sein können

Vor langer Zeit war ich massgeblich für die Einführung eines ERP-Systems (Enterprise Ressource Planning) verantwortlich. Wir führten SAP bei einem Logistik-Betrieb (KMU) ein, der Baumärkte Just-in-Time mit den richtigen Waren wie Zementsäcke und Gartenstühle belieferte.

SAP sah je Material jeweils nur 1 Formular vor, in dem genau 1x die exakte Anzahl Material eingegeben werden sollte. Die Wirklichkeit sah bei uns im Lager so aus, dass Material aus baulichen Gründen an den verschiedensten Orten verteilt war. Das Areal war riesig und so zählten auch mehrere Teams an mehreren Orten das gleiche Material. Der von SAP vorgesehene Standard-Prozess der Inventur war also für uns ausgesprochen umständlich und auch fehleranfällig.

Anstatt das SAP-System aufwendig anzupassen, haben wir eine Datenbank mit Microsoft Access entwickelt, in welche wir alle “Material-Zählzettel” nach Teams erfasst haben. Die Datenbank hat die Mengen zusammengezählt und wir konnten leicht Stichproben durchführen, d.h. prüfen, ob die Teams auch richtig gezählt haben. Nachdem wir zufrieden waren, haben wir per ABAP/4 (die Programmiersprache von SAP) die Material-Mengen in das SAP-System überspielt. Wir haben also mit Bordmitteln einen wichtigen Prozess erfolgreich verbessern können. Diese Praxis wurde pragmatisch noch viele weitere Jahre so ausgeübt – bis das Lager baulich anders gestaltet wurde.

ERP-Systeme sollten schon aus Kostengründen wenn möglich immer am oder nahe am Standard gehalten werden. Überlegt euch nur, ob ihr Verbesserungen nicht auch ausserhalb des Systems machen könnt, wenn es (a) wirklich vorteilhaft ist und (b) ihr es mit den “Helfern” nicht übertreibt. Sich von Excel, Access und co. (allzu) abhängig machen, ist nämlich auch keine gute Idee sondern kann schnell zum Fluch werden. Ich selber habe Office fast komplett abgeschafft.

In dem geschilderten Beispiel überwogen die Vorteile klar die Nachteile, insbesondere weil die Datenhoheit des ERP-Systems (“Single source of truth”) nicht in Frage gestellt wurde.